Dr. Gert R. PolliSpätestens seit der Affäre Snowden müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass unsere Telekommunikation, der digitale Schriftverkehr und unsere Gewohnheiten im Netz ein zentrales Anliegen der Aufklärung großer und kleiner Nachrichtendienste sind..

Seit Snowden wissen wir, mit welchem technischen und finanziellen Aufwand wir ausspioniert werden. Heute können wir davon ausgehen, dass das Briefgeheimnis de facto nicht mehr existiert. Daten und Informationen sind das „Gold unseres Zeitalters“. Um dieses „Gold“ ist derzeit ein Wettrennen im Gange. Akteure sind in erster Linie Nachrichten- und Geheimdienste unter Zuhilfenahme des Argumentes der Terrorismusbekämpfung und der Terrorismusfinanzierung. Gleichzeitig allerdings sind auch Bestrebungen evident, den gläsernen Steuerzahler europaweit anzudenken. Was wir nicht wissen, wie diese Informationen letztlich verwendet werden,  wer die Gewinner und wer die Verlierer sind und was das mit uns persönlich zu tun haben soll. Vieles spricht dafür, dass wir die Kontrolle über weite Teile der Wirtschaft und Politik bereits verloren haben und gerade einer Entwicklung zusehen, den Staatsbürger einer absoluten Kontrolle zu unterwerfen. Die staatlich organisierten Ansätze argumentieren damit, dass dadurch ein Mehr an Sicherheit erzielt wird und die Wirtschaft argumentiert mit Kostenersparnis und Effizienz. Vieles aber deutet in eine andere Richtung, die  Benjamin Franklin bereits treffend beschrieben hat: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“

Die meisten Seminare oder auch Vorträge rund um das Thema „Information und Daten“ beschäftigen sich mit dem Thema Datensicherheit. Dieses Thema ist so umfassend und spannt den Bogen von der Abhörsicherheit von Regierungskommunikation über die Sicherheit von elektronischen Gesundheitsdaten bis hin zum Schutz von Firmendaten vor Betriebs- und Industriespionage. Dieser Ansatz geht davon aus, dass wir als Staat, als Unternehmen und auch als Privatperson in der Lage sind, Daten zu schützen. Diese Ausführungen beschäftigen sich nicht mit dem Schutz von Informationen. Vielmehr wird die These vertreten, dass weder Private noch Unternehmen und staatliche Apparate heute nur mehr eingeschränkt in der Lange sind, Informationen nachhaltig zu schützen. Die Tendenz der Zeit geht in Richtung der
Übernahme der absoluten Kontrolle jeglicher Daten durch den Staatsapparat.

Mehr noch, wir erleben derzeit eine Auseinandersetzung zwischen den Staaten um die Nutzung unserer Daten. Exponenten dieser Auseinandersetzung sind die Geheim- und Nachrichtendienste, die bereits jetzt fast uneingeschränkten Zugang besitzen. Sicherheitsbehörden eifern den Nachrichtendiensten nach. Das in Österreich diskutierte Staatsschutzgesetz, aber auch das Thema Vorratsdatenspeicherung, ist ein gutes Beispiel dafür. Wenn schon die Geheimdienste über diese Daten verfügen, warum nicht auch die eigene Polizei? Aber selbst Organisationen wie die CIA oder der BND sind nicht in der Lage, ihre
Informationen nachhaltig schützen können.  Die Arbeit von WIKILEAK oder die öffentlich gewordenen Informationen durch Eduard Snowden, belegen sehr eindrucksvoll, dass selbst hoch spezialisierte Nachrichtendienste letztlich vor dem „menschlichen Faktor“ der Informationssicherheit kapitulieren müssen. Der Faktor Mensch zeigt, dass kein Sicherheitssystem der Welt heute davon ausgehen kann, seine Informationen nachhaltig schützen zu können. Diese Ausführungen beschäftigen sich vielmehr mit der Frage, wer sammelt welche Informationen und wer ist dadurch in der Lage, aus diesen Informationen
Vorteile zu ziehen. Informationen werden nicht zu unrecht als das „Gold unser Zeit“ bezeichnet und seit jeher gilt der Spruch: wer das Gold besitzt, schreibt auch die Regeln. Kein Wunder also, dass die Militärs schon seit Jahren von einem „Information Warfare“ sprechen, und in der Wirtschaft der Begriff „Business Intelligence“ zu einer Überlebensfrage von Unternehmen, die im internationalen Umfeld agieren, aufgestiegen ist.

Selbst konservative Sparten, wie z.B. international tätige Banken, investieren nicht unbeträchtliche Ressourcen, um Ihre Daten und Strategien besser zu schützen. Gerade diese Branche wurde in den letzten Jahren wie keine andere dazu gezwungen, gepflogene Grundsätze und Praktiken aufzugeben. Die Aufweichung des Bankgeheimnisses, die Ausforschung von potentiellen Steuerhinterziehern und die  erzwungene“ stärkere Kooperation mit den Strafrechts- und Steuerbehörden ist nur eine der Entwicklungen rund um den „Krieg um Informationen“. Die Bankenlandschaft wäre nie von sich aus bereit gewesen,  dem Bankgeheimnis de facto abzuschwören oder eng mit den Strafverfolgungs- und Steuerbehörden zu kooperieren. Mit anderen Worten: Seit Jahren ist die Bankenlandschaft in Europa Ziel  nachrichtendienstlicher Operationen, mit der offiziellen Begründung: Terrorismusbekämpfung, organisierte Kriminalität und Geldwäsche zu bekämpfen. In der politischen Praxis jedoch geht es schlicht und einfach  um die Kontrolle des Geldflusses und nebenbei noch um eine Möglichkeit, den Finanzbehörden entgangene Steuern zuzuführen.

Es zahlt sich daher aus, sich mit der Frage zu beschäftigen: Wer sammelt diese Informationen und warum sind diese so wertvoll?


Das Gold der Nachrichtendienste

Nachrichtendienste gelten weltweit als größte Sammler von digitalen Informationen, von Telekommunikationsdaten – aber auch anderen Daten. Die letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass vor allem technische Dienste jede Information abgreifen und speichern, deren sie habhaft werden können. Das Problem besteht heute nicht mehr darin, diese Informationen weltweit aufzuzeichnen, sondern ausreichenden Speicherplatz für diese Daten zu schaffen. Die Datenmengen, von denen hier die Rede ist, sind derart gigantisch, dass die NSA und andere Nachrichtendienst dazu übergegangen sind, die entsprechende Infrastruktur dafür zu schaffen. Eine solche entsteht derzeit im Auftrag der NSA in Utha/USA, südlich von Salt Lake City. Das Speicher-/Rechenzentrum ist seit 2013 in Betrieb. Gespeichert wird die weltweit abgegriffene elektronische Kommunikation, aber auch Bilder und Videos. Aus den Veröffentlichungen von E.Snowden ist bekannt, dass die gesamte digitale Kommunikation von mehr als 10 Staaten zumindest einige Jahre gespeichert werden können. Und das war der Informationsstand 2012. Vieles spricht dafür, dass auch Österreich zu dieser Gruppe von Staaten gehört. Die Anlage in Utah wurde notwendig, da die Speicherkapazität nicht mehr ausreichte, einerseits weil man die Aufbewahrungszeit der Daten ausdehnen wollte und andererseits, weil das Thema „Nationale Sicherheit“ scheinbar jeden Eingriff in die Privatsphäre rechtfertigt und zwar unabhängig von den Kosten. Die U.S. Intelligence Community hat ein jährlich offizielles Budget von 60 Milliarden U.S. Dollar. Heute kann man davon ausgehen, dass die U.S. Nachrichtendienste mit ihren weltweit aufgestellten Spionageeinrichtungen alles speichern, wozu sie technisch in der Lage sind. Es sind derzeit aber nicht nur die technischen Einrichtungen, die als Folge der Snowden Affäre im öffentlichen Interesse stehen, sondern auch die Zusammenarbeit der U.S. Dienste mit europäischen Partnerdiensten. Im Raum steht der ungeheure Verdacht, dass die Zusammenarbeit mit europäischen Partnerdiensten auch zu Spionagezwecken gegen europäische Unternehmen, Regierungen und Personen des öffentlichen Interesses seitens der U.S. Dienste genutzt wurde.

Die derzeitige Diskussion um den BND und seine Rolle gegenüber der NSA geben diesem Thema zusätzliche Brisanz. Öffentlich geworden ist die jahrelange Zusammenarbeit zwischen dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) und der NSA.  Alleine der BND liefert monatlich bis zu 1,3 Mrd. Meta- und Verbindungsdaten an die NSA1. Weitergegeben werden Rohdaten über Kommunikation in oder aus Krisengebieten. Quelle

Die Auswahl für die Weitergabe erfolgt mittels sogenannter „Selektoren“, welche als Suchbegriffe die Spreu vom Weizen trennen soll. Diese Mechanismen der Zusammenarbeit haben sich offensichtlich in den vergangenen Jahren derart eingespielt, dass es den U.S. Diensten gelungen ist, auch Informationen abzuberufen, die zum Nachteil deutscher Unternehmen oder der deutschen Politik waren und sind. Beispiele, die in der Presse genannt werden, sind Siemens oder EADS, um nur einige zu nennen. Solche Erkenntnisse werden von den europäischen Regierungen bisher negiert, vor allem deshalb, um nicht herausfinden zu müssen, wie die U.S.A. diese Informationen letztlich gegen die europäischen Bündnispartner verwendet haben. Was die ausspionierte Wirtschaft und Industrie anbelangt, gibt es bis heute keine Reaktion. Es gilt aber als sicher, dass Informationen zum Nachteil großer Unternehmen (z.B. in Deutschland) genutzt wurden. In diesen Fällen ist es nicht schwer darüber zu spekulieren, wer davon profitiert. Die Masse der gewonnenen und gespeicherten Informationen sind sogenannte Meta- oder Verbindungsdaten.

Die BND-Abhörstation Bad Aibling Foto apa Meta- oder Verbindungsdaten sind das „Gold“ der Nachrichtendienste. Diese sogenannten Verkehrsdaten sind für Nachrichtendienste genauso wichtig wie der Inhalt einer Kommunikation, wenn nicht wichtiger. Meta- oder Verbindungsdaten enthalten zwar keine Kommunikationsinhalte, wohl aber die Information über angerufene oder angeschriebene Telefonnummern oder Internetadressen, Ortungsdaten, besuchte Internetseiten und die Betreffzeilen von Mail etc. Mit den entsprechenden Auswertungsprogrammen lassen sich Persönlichkeits- und Beziehungsprofile erstellen, die wieder den Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden als Grundlage für Ihre Operationen dienen. Dies inkludiert ebenso Bewegungsprofile. Meta- und Verbindungsdaten sind heute schon der eigentliche „Schatz“ der NSA und sind in der Regel Polizeibehörden nicht so ohne weiteres zugänglich. Generell sind richterliche Genehmigungen für den Zugang erforderlich (zumindest in Europa) und der Zugang ist nur dann gegeben, wenn Provider diese Informationen lang genug speichern. Genau das aber ist der Hintergrund der derzeitigen Diskussion um die sogenannte Vorratsdatenspeicherung. Darunter versteht man die gesetzliche Verpflichtung der (europäischen) Provider, die digital anfallenden Metadaten über eine gewisse Zeit zu speichern und die Verpflichtung, diese Informationen den Sicherheitsbehörden im Bedarfsfall zur Verfügung zu stellen.

Technische Nachrichtendienste, wie die NSA, sind nicht auf das Instrument der Vorratsdatenspeicherung angewiesen, da diese Daten von solchen Diensten ohnedies bereits gespeichert und verfügbar sind. Polizei- und Sicherheits- behörden verfügen über keine eigenen Speicher und müssen daher auf Provider ausweichen. Der langjährige Leiter der NSA und Kurzzeit-CIA-Chef, General Michael Hayden, hat die Bedeutung von Verbindungdaten für die U.S. Dienste auf den Punkt gebracht: We kill people based on metadata" und meint nicht nur den Drohnenkrieg, den die USA in Pakistan, Afghanistan, Irak und anderswo führen. Weiterhin führt er aus: "Auch die Polizei hätte solche Daten gern, weswegen seit Jahren diskutiert wird, die sogenannte Vorratsdatenspeicherung einzuführen, die Metadaten in Deutschland erfassen und speichern soll.”

Was wir derzeit um das Thema Metadaten in Europa erleben ist auch eine Auseinandersetzung zwischen den amerikanischen Datensammlern der Geheimdienste und den heimischen Sicherheitsbehörden. Tatsächlich verbirgt sich hinter dieser Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung eine Auseinandersetzung zwischen der Welt U.S. Nachrichtendienste, die auf solche Informationen bereits heute zugreifen können und den lokalen (europäischen) polizeilichen Sicherheitsbehörden. Letztere sind auf die Gerichtsbarkeit angewiesen, um den Provider zur Herausgabe dieser Informationen gesetzlich zu verpflichten. Das führt zum Paradoxon, dass solche Daten zwar den U.S. Nachrichtendiensten zur Verfügung stehen, nicht aber den eigenen Polizeibehörden. Und wenn diese Informationen im Ausnahmefall von den U.S. Behörden zur Verfügung gestellt werden, dann sind diese in einem Gerichtsverfahren nicht zulässig. Das ist einer der wesentlichen Hintergründe der derzeitigen Diskussion über die (Wieder-)Einführung der Vorratsdatenspeichung in Deutschland wie auch in Österreich. Die Auswertung von Metadaten (1,2)

Das eigentliche Problem ist aber nicht die Speicherung dieser Daten, sondern deren Auswertung. Es geht also darum, die „Nadel“ im sprichwörtlichen Heuhaufen zu finden. Die Enthüllungen von E. Snowden zeigen, dass eine Vielzahl von maßgeschneiderten Programmen zur Auswertung abgeschöpfter und gespeicherter Informationen entwickelt genutzt werden. Von diesen Programmen ist XKeyscore das mächtigste aller Werkzeuge. Es ermöglicht, digitale Kommunikation weltweit zu durchsuchen. Werkzeuge, die auch von den europäischen Nachrichten- diensten genutzt werden. XKeyscore gibt Einblicke in die technischen Möglichkeiten von Suchabfragen und macht deutlich, dass dieses Instrumentarium zur Industrie- und Betriebsspionage wie geschaffen ist. Der deutsche Technologiekonzern Siemens steht spätestens seit Bekanntwerden der Korruptionsfälle im Fadenkreuz der U.S. Dienste. Siemens ist ein ganz besonderes Beispiel dafür, wie langjähre nachrichtendienstliche Aufklärung schließlich zu immensen Konkurrenznachteilen führt. Sollten die sogenannten „Selektoren“ der NSA zu diesem Thema jemals öffentlich werden, wird so manches deutsche Unternehmen sich die Frage stellen müssen, warum man in neuen Märkten nicht Fuß fassen konnte, oder warum man in Ausschreibungsverfahren gegenüber ausländischen Mitbietern unterlegen war. An dieser Stelle darf auf einen wesentlichen Unterschied zwischen dem anglo- amerikanischen System und dem System im deutschsprachigen Europa hingewiesen werden. Während man im anglo-amerikanischen System von einer Art Symbiose zwischen der jeweiligen Industrie und der Intelligence Community ausgehen kann, trifft dies im deutschsprachen Raum nur in Ausnahmefällen zu. Dass Siemens und andere deutsche Unternehmen nach wie vor im Focus der U.S. Aufklärung stehen, belegt die derzeitige Diskussion in Deutschland. Es ist keine Rede davon, dass der deutsche Nachrichtendienst die deutsche Industrie unterstützt hätte: Im Gegenteil! Dem BND wird vorgeworfen, die US- Wirtschaftsspionage gegen deutsche Unternehmen maßgeblich unterstützt zu haben.

Neben der politischen Spionage gilt Wirtschaftsspionage als eines der zentralen Themen, nicht nur amerikanischer Aufklärung, in Europa. Was Snowden ausgelöst hat Anfang Juli 2013, nach 22.00 Uhr, landete die Passagiermaschine des bolivianischen Präsidenten Evo Morales am Flughafen in Schwechat. Aus Moskau kommend verweigerte Italien, Spanien und auch Frankreich dem Flugzeug die Überflugsrechte. Dieser überraschenden Maßnahme waren Interventionen der U.S. Vertretungsbehörden vorausgegangen, da die U.S. Dienststellen vermuteten, dass sich E. Snowden an Board befand. Wie sich in den kommenden Monaten herausstellen sollte, entwickelt sich die Snowdenaffäre zu einem der peinlichsten außenpolitischen Themen der U.S.A. der letzten Jahre.

Der Landung des Flugzeuges in Wien war ein Schlagabtausch der russischen und amerikanischen Dienste vorangegangen. Den Russen war es gelungen, die Amerikaner glauben zu lassen, dass sich Snowden an Board des Flugzeuges befindet. Später stellte sich heraus, dass Snowden nicht an Board jener Maschine aus Moskau war. Bemerkenswert an dieser Affäre ist der Umstand, dass es den U.S.A. gelang, durch massive politische Intervention europäische Regierungen dazu zu bringen, den vorher genehmigten Überflug einer Präsidentenmaschine rückgängig zu machen. Selbst der österreichische Präsident, H. Fischer, wurde mobilisiert und erschien persönlich, um mit Morales die Affäre zu besprechen. Snowden war zum damaligen Zeitpunkt in Moskau und nicht in Schwechat. Diese Episode zeigt in einer Deutlichkeit wie keine andere das Wechselspiel zwischen Information und Desinformation. Es zeigt aber auch, dass Information wertlos ist, wenn die Mittel fehlen, daraus Nutzen zu ziehen. Ganz nebenbei beleuchtet diese Episode aber auch die Möglichkeiten der U.S.A., ihre europäischen Verbündeten unter so kurzfristigen Zeitvorgaben zu mobilisieren. Der Einsatz der U.S. Vertretungen in Österreich, Italien, Spanien und Frankreich hatte einen handfesten Grund: Mit Affäre Snowden geht der größte Datendiebstahl in der Geschichte der U.S.A. einher, den ein Nachrichtendienst jemals erfahren musste. Scheibchenweise wurden die Informationen von E. Snowden – hauptsächlich über den britischen Guardian – der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Vergleiche hierzu: Kurier Artikel

Das Bild, das sich hier nachzeichnen lässt, kann man heute als eine Zäsur im bilateralem Verhältnis zwischen den U.S.A. und den Staaten der EU deuten. Folgende Schlussfolgerungen müssen daraus gezogen werden:

1. Den U.S.A. ist es gelungen, das Internet quasi für die Angelegenheiten ihrer Nationalen Sicherheit zu dominieren bzw. zu übernehmen.

2. Unter der Federführung der NSA wurde ein weltweites technisches Spionagenetz aufgebaut und dieses auch gegen die Verbündeten für politische, aber auch Wirtschaftsspionage, zu nutzen. Heute ist klar, dass das Argument der Terrorismusbekämpfung, mit dem diese Strukturen politisch gerechtfertigt wurden, nur ein kleines Segment der tatsächlichen Zielsetzung ist.

3. Dieses Spionagenetz verpflichtete auch die großen Provider wie Google, Microsoft, Facebook, YouTube und andere und betrifft damit jeden privaten Nutzer solcher Anbieter.

Immer mehr wird aber auch klar, dass große europäische Provider sich den Begehrlichkeiten der NSA nicht verschließen konnten. Erstaunlich auch, dass heute keine europäische Regierung über diese Begehrlichkeiten Bescheid zu wissen scheint.

Fast monatlich werden mehr und mehr Details über die Praxis dieser Methoden öffentlich; ob es das Abhören von Telefonaten europäischer Regierungschefs war, oder die punktuelle Überwachung der Kommunikation von Schlüsselstellen des EU-Hauptquartiers in Brüssel durch Hacking des Providers Belgacom. Ein Provider, zu dessen Kunden die Kommission, der Rat der Mitgliedstaaten und das Europaparlament gehören. Jahrelang sollen Gespräche abgehört worden sein5. Zu den Enthüllungen gehört aber auch die enge Zusammenarbeit des BND mit der NSA auf deutschem Boden, selbst gegen die eigenen deutschen Interessen, wie sich bei genauer Durchsicht der sogenannten Selektoren erkennen lässt. Obwohl in Österreich eine solche Diskussion nicht öffentlich geführt wird, ist der Standort Österreich für die NSA Teil eines europaweiten technischen Aufklärungsnetzwerkes6. Fast 3 Jahre nach Bekanntwerden der Affäre stehen wir heute vor den unbeantworteten Fragen: Was passiert mit den gesammelten Informationen, wer nutzt sie, wer sind die Gewinner und wer die Verlierer? - Heute wird immer deutlicher, dass europäische Politik seit Jahren im Zentrum von Spionageaktivitäten durch ihren transatlantischen Partner U.S.A. stand und nach wie vor steht. Wie weit das rückblickend Schaden angerichtet hat und welche Nachteile damit für Europa einhergingen – das bleibt bisher im Unklaren. Eine europäische Spionageabwehr existiert bis heute nicht. - Immer deutlicher wird, dass im Lichte der Snowdenaffäre systematisch Wirtschaftsspionage gegen Schlüsselunternehmen in Europa betrieben wurde und wird. Nicht nur große Unternehmen wie Siemens oder EADS sind davon betroffen, sondern auch kleinere Unternehmen in wichtigen Schlüsselbereichen. Zumindest für große Unternehmen eröffnen sich durch immer konkretere Hinweise auf Methoden und Ziel rechtliche Schritte, Schadenersatzforderungen einzuklagen.

Die Affäre Snowden hat aber auch gezeigt, dass die genutzten technischen Möglichkeiten das Recht auf die Wahrung des Briefgeheimnisses schon längst unterlaufen haben. Es zeigt sich aber auch, dass die europäischen Staaten, die ihren Bürgen diese Rechte garantieren, nicht in der Lage sind, diesen Schutz sicherzustellen. (siehe: SpiegelVideo, Heise) Was aber am erstaunlichsten ist: Der Aufschrei der zivilen Gesellschaft ist bisher weitgehendst ausgeblieben. Es scheint so, dass der Bürger sich damit abgefunden hat, dass jegliche elektronische und digitale Kommunikation abgehört und überwacht wird. Das neue Staatsschutzgesetz – temporärer Zugang zu Daten aller Art Ob bewusst oder unbewusst, der Zeitpunkt für die Einführung dieses Gesetzes passt perfekt in den internationalen Trend nach mehr Kontrolle, unbeschränkten Zugang zu Daten aller Art bei gleichzeitig überforderten Kontrollmechanismen. Von den Einen als verpasst Chance, von den Anderen als Speerspitze des Überwachungsstaates gesehen: Tatsächlich beinhaltet das Staatsschutzgesetz von beiden Blickwinkeln reichlich. Das demnächst beschlossene Gesetz verschafft den Behörden weitreichende Befugnisse bei gleichzeitig minimaler Kontrolle durch ein BM.I-internes Organ, dem Rechtsschutzbeauftragten. Dieser erklärte bereits im Begutachtungsverfahren, dass er mit der Kontrolle der aufgerüsteten Behörde überfordert wäre9. Begründet wird dieses Gesetz mit der erhöhten Terrorismusgefahr im Lichte der internationalen Entwicklung im Nahen Osten, Maghreb und Mashrek.

Die Terrorgefahr wird seit Jahren insbesondere von den U.S.-Diensten geschürt und überbewertet und dient als Feigenblatt nicht nur für die weltweite Aufrüstung von Nachrichtendiensten und Polizeibehörden. Ähnlich verhält es sich mit diesem Gesetzesvorschlag: Das Argument der Terrorismusbekämpfung wird in den Vordergrund gerückt und verdeckt die anderen Staatsschutz- aufgaben, deren Umsetzung mit den gleichen Befugnissen unterlegt ist. Die Stoßrichtung des Staatsschutzgesetzes ist eine zweifache: 1) Verlegung der Staatsschutzaktivitäten auf das Vorfeld einer Straftat im Rahmen des umfangreichen Deliktekataloges. 2) Ausbau der nachrichtendienstlichen Elemente unter Einbeziehung einer signifikanten Rolle des BM.I-internen Kontrollmechanismus eines Rechtsschutzbeauftragten. Den Staatsschutzbehörden ist spätestens seit 09/11 klar, dass eine effiziente Terrorismusbekämpfung im Vorfeld einer solchen Straftat anzusetzen hat und klassische polizeiliche Arbeit schlicht zu kurz greift. Dieser Gesetzesentwurf trägt einer derartigen Entwicklung Rechnung. 8 Als Beispiel sei hier die Stellungnahme des österreichischen Bundeskanzlers, Werner Faymann, auf die Frage zur NSA Abhöraffäre: Interview vergleiche hiezu u.a. : Kleine Zeitung

The Maghreb is made up of three North African countries: Algeria, Morocco and Tunisia. The Mashreq comprises four eastern Mediterranean states: Egypt, Jordan, Lebanon and Syria. Mit anderen Worten, der Staatsschutz bewegt sich auf der Schiene einer zunehmend nachrichtendienstlich ausgerichteten Sicherheitsbehörde. Beteuerungen von politischer Seite, dass das neue Staatsschutzgesetz ein polizeiliches sei und hier kein Geheimdienst entsteht, ist zwar juristisch richtig, die Grenze ist aber eine fließende. Zweifellos zielt das Gesetz mit seinen Befugnissen in erster Linie auf die Terrorismusbekämpfung und beinahe überliest man, dass dieselben Befugnisse auch mit anderen Aufgaben einhergehen: Spionageabwehr, Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen ebenso wie politisch und religiös motivierter Extremismus, um nur einige zu nennen. Das Staatschutzgesetz scheint aber vor allem ein politischer Kompromiss zwischen Bund und Länder zu sein. Der Gesetzesentwurf verankert die Landesämter neben dem Bundesamt in Wien. Das scheint auf den ersten Blick nicht aufregend. Schon interessanter ist, dass die Befugnisse der Landesämter den Befugnissen und Aufgaben des BVT (mit wenigen Ausnahmen) gleichgestellt sind. Die Landesämter unterstehen jedoch nicht direkt dem BVT, sondern den Landespolizeidirektionen, deren Leiter in staatsschutzrelevanten Angelegenheiten direkt Landesparlamenten und den Landeshauptleuten periodisch berichtet. Damit hat man 9 weitere Instanzen geschaffen, welche über hochsensible Daten verfügen ohne effektive Kontrolle.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren (Bundespolizei hin oder her), dass sich die Landeshauptleute einen eigenen meist kleinen „Landesgeheimdienst“ geschaffen haben. Deutlich zeigt sich auch die Tendenz, sich im Vorfeld einer Straftat von den richterlichen Genehmigungspflichten abzukoppeln und den Rechtschutzbeauftragten für die Genehmigung von Kontrollbefugnissen im Rahmen der erweiterten Gefahrenerforschung zu bevorzugen. Auch dies entspricht international eher den Gepflogenheiten von Nachrichtendiensten als von Sicherheitsbehörden. Selbst den Landesämtern werden diese Möglichkeiten eingeräumt. Zusammengefasst haben wir es erstmals mit einer gesetzlich abgesicherten Behörde mit weitreichenden Befugnissen zu tun und der Möglichkeit des umfassenden Zugriffs auf nahezu alle verfügbaren Daten, unabhängig davon ob sie im Ausland- oder Inland generiert wurden und auch unabhängig davon, wer diese Daten ursprünglich gesammelt hat: Der Bogen reicht von Daten der Sozialversicherungsanstalt bis hin zu Daten aus dem derzeit diskutierten zentralen Kontenregisters für alle Girokonten, Sparbücher, Firmenkonten und Bausparverträge. Dieses Register umfasst nicht nur Firmen, sondern auch Privatpersonen. Wer also hat Anspruch auf diese Daten und unter welchen Umständen ist der Zugriff darauf legitim? Vor allem aber, wie viel an personenbezogenen Daten bleiben im Land und welche Daten wandern in den Datenbestand ausländischer Dienste?

Abschließende Bemerkung Seit Jahren haben wir es mit einer staatlich gesteuerten Tendenz zu tun, das Handeln von Personen, Gruppen und Unternehmen gegenüber den eigenen Steuer- und Strafverfolgungsbehörden transparenter zu gestalten. Zu diesen Ansätzen gehören – gewollt oder ungewollt – sämtliche Ansätze zur Schaffung zentraler Datenbanken für ganz unterschiedliche Zwecke. Der Bogen reicht von Gesundheitsdaten über das diskutierte zentrale Kontenregister für alle Girokonten, Sparbücher, Firmenkonten und Bausparverträge, bis hin zum neuen Staatsschutzgesetz, mit weitreichenden Befugnissen. Auch der Versuch, das Bargeld einzudämmen oder ganz abzuschaffen, unterstreicht diese Richtung. Parallel dazu wird nicht zuletzt durch die Erkenntnisse aus der Snowden Affäre klar, dass vor allem die U.S. Nachrichtendienste über Europa ein dichtes Netz zur Kontrolle der digitalen und elektronischen Kommunikation etabliert haben. Über Jahre hinweg wurde politische Spionage, aber auch Wirtschafts- und Industriespionage auf strategischer wie auch auf operativer Seite betrieben und von den derart betroffenen europäischen Staaten bestenfalls toleriert. Vieles spricht dafür, dass jene Daten, welche derzeit von europäischen Staaten so hartnäckig von seinen Bürgern eingefordert werden, sich bereits im Besitz jener Organisationen befinden, welche die digitale Welt zu dominieren scheinen. Das diese Organisationen keine europäischen sind, liegt auf der Hand. Besorgnis erregend ist aber vor allem der Umstand, dass sich solche Gruppen jeglicher politischer Kontrolle entziehen und sich quasi verselbständigt haben. Die aufgezeigte Entwicklung zur Kontrolle der Datenflüsse wurden durch die U.S.A den europäischen Regierungen als gemeinsame Maßnahme gegen den Terrorismus verkauft. Was nach Snowden von diesem Argument bleibt, ist der schale Beigeschmack des Ausverkaufs europäischer Interessen zum Nachteil unseres Wirtschaftsstandortes Europa und der Preis der Aushöhlung der Privatsphäre durch eine nicht greifbare ausländische Maschinerie. Der Vorwurf, den sich europäische Regierungen gefallen lassen müssen, ist jener, dass sie nicht in der Lage waren bzw. sind, ihre Gesellschaft und ihre Privatsphäre nachhaltig zu schützen. Im Gegenteil: Die europäischen Staaten sind dabei, ihre Überwachungskapazitäten aufzurüsten, um in diesem Bereich mit den U.S. Dienststellen gleichzuziehen. Spätestens hier wird ein gemeinsamer Ansatz sichtbar, nämlich jener, eine transparente Gesellschaft zu etablieren. – Natürlich nur in Europa. Die Argumente dafür bleiben dieselben: Mehr Sicherheit durch Kontrolle! Dies erinnert an die Worte von Benjamin Franklin: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“. (Benjamin Franklin)

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